Michèle Pagel

​White Trash Bag #1 und #2 (2023)

Es hat etwas Unheimliches, fast Dystopisches, wie Michèle Pagel die Symbole und Mythen betrachtet, die den Kult des Ländlichen und Volkstümlichen ausmachen. Zwei mit Gips gefüllte Müllsäcke quellen aus korsettartigen Kostümen – eines für Mädchen, eines für Jungen –, wie sie bei Volksfesten und zu anderen Gelegenheiten getragen werden. Der Titel der Arbeit, die einfachen Materialien und das Gewicht der Skulpturen drücken die Beunruhigung aus, die die Künstlerin angesichts der Mobilisierung der „schweigenden Mehrheit“ durch rechte Ideologien, Fremdenfeindlichkeit und die Identitäre Bewegung empfindet.

Pagel verwirft die Idee eines „unschuldigen“ und „reinen“ ländlichen Raums. Sie verknüpft die Ästhetik des Brutalismus mit satirischer Überzeichnung und übersetzt das Schimpfwort „white trash“ in Skulpturen. Damit warnt die Künstlerin vor der Wiederbelebung nationalistischer Fantasien und deren touristischer Vermarktung an ein politisch schwer greifbares, aber rastloses und wirtschaftlich prekäres Publikum – ein Faktor, der nicht nur bei Volksfesten und Ähnlichem eine Rolle spielt, sondern mittlerweile auch die Wahlpolitik in Österreich und Deutschland bestimmt.

Michèle Pagel (1985, Werdau, Deutschland) ist eine Künstlerin, die mit konzeptuellen Skulpturen und Installationen arbeitet, die die innere Schönheit und dunklen Seiten von Alltagsmaterialien und -objekten offenbaren. Ihre Arbeiten waren zuletzt in Gruppenausstellungen unter anderem im Belvedere 21 und im MAK, Wien, zu sehen. Zu ihren Einzelausstellungen gehören: Salzburger Kunstverein (2023); Galerie Meyer Kainer, Wien (2022 und 2023); Österreichisches Kulturforum, Moskau (2019); und Leslie Gallery, Berlin (2016). Sie lebt in Wien.

White Trash Bag #1 (Stammhalter) (2023)
Weißer Beton, Stahl, 80 × 40 × 40 cm

White Trash Bag #2 (Infantin) (2023)
Weißer Beton, Stahl, 75 × 80 × 30 cm


Mit freundlicher Genehmigung der Galerie Meyer Kainer, Wien