Never Again Peace

Die 58. Ausgabe des steirischen herbst ist von Ernst Tollers satirischem Theaterstück Nie wieder Friede (1934–36) inspiriert: Auf dem Olymp streiten Napoleon und Franz von Assisi darüber, ob die Menschheit Krieg oder Frieden bevorzugt, und schicken eine rätselhafte Kriegserklärung an das bergige Dunkelstein. Die Bevölkerung erinnert sich sofort an einen obskuren „Erbfeind“ und geht gegen Fremde vor.

Auf Englisch wird Tollers Stück in der Regel unter dem Titel No More Peace aufgeführt. Dieser Titel gibt jedoch nicht die Intensität des Originals und dessen Umkehr der bekannten Parole „Nie wieder Krieg“ aus der Zwischenkriegszeit wieder. „Nie wieder“ sind auch die Worte, die die Buchenwald-Überlebenden kurz nach der Befreiung des Lagers im April 1945 skandierten.

Tollers Anklage eines Europas, das vom Faschismus gebannt war, könnte heute nicht aktueller sein. Institutionen, die gegründet wurden, um die Rückkehr von Krieg und Völkermord zu verhindern, bröckeln. Angesichts des vielen Bluts, das seit 1945 vergossen wurde, klingt die Parole „Nie wieder“ hohl. Wladimir Putins Russland führt seinen blutigen Angriffskrieg, während es vorgibt, sich für Frieden einzusetzen. Die israelische Regierung nutzt die Bedrohung durch einen neuen Holocaust, um den Gaza-Krieg auf unbestimmte Zeit fortzusetzen und ihn vollständig auf die Zivilbevölkerung auszuweiten.

Die Steiermark ähnelt in gewisser Weise Tollers Dunkelstein. Nach einem überwältigenden Sieg bei den Landtagswahlen ist die rechtspopulistische FPÖ an der Macht. Wie zu erwarten werden Migrant:innen und andere Minderheiten ins Visier genommen, während kulturelle und zivilgesellschaftliche Einrichtungen mit Budgetkürzungen konfrontiert sind und Antidiskriminierungsgesetze zurückgenommen werden.

In seiner Anfangszeit wandte sich der steirische herbst gegen verbleibende faschistische Tendenzen im Nachkriegsösterreich. Heute sind die politischen Erben der Nazis fest etabliert. Mit seiner neuen Ausgabe kehrt das Festival zu seinen antifaschistischen Wurzeln zurück, reaktiviert Tollers Titel und lädt Künstler:innen ein, auf die aktuelle Situation zu reagieren, wobei sie oft historische Werke von Neuem aufgreifen.

Der steirische herbst ’25 wird kuratiert von Ekaterina Degot, David Riff, Gábor Thury und Pieternel Vermoortel, unterstützt von Beatrice Forchini, Tobias Ihl und Lukas Michelitsch, und geschaffen von allen teilnehmenden Künstler:innen, Sprecher:innen und Partnerinstitutionen sowie dem gesamten Festivalteam.